Achtsamkeit und Hunde gehören zusammen

Die wenigsten Menschen kommen zum Achtsamkeitstraining, nur weil sie das Thema interessiert. Die meisten, und dazu zähle auch ich, beginnen damit, weil sie ein Problem haben, das sie in den Griff bekommen wollen. Seien es gesundheitliche Schwierigkeiten, psychische Probleme oder, wie in meinem Fall, die unendliche Trauer über den Tod meiner ersten Hündin Nana. Nanas eigentliche Geschichte ist etwas länger, weshalb ich sie Euch ein anderes Mal erzählen werde.

Gedankenkarussell und Selbstvorwürfe

Nach Nanas sehr plötzlichen Tod im Januar 2013 – sie starb an einem Lymphom – lief ich wochenlang herum wie ferngesteuert. Unablässig kreisten die Gedanken: hätte ich mehr tun können, hätte ich ihre Krankheit früher erkennen müssen, hätte ich weitere Therapien durchführen lassen sollen …? Das war so unerträglich, dass ich nach Möglichkeiten suchte, meinen Kopf zu beruhigen. Dabei stolperte ich über das MBSR Programm von Dr. Jon Kabat-Zinn, von dem ich Dir bereits in einem vorangegangenen Artikel berichtet habe.

 

Ich begann also mit dem Achtsamkeitstraining. Die Veränderungen begannen nicht sofort, aber im Laufe der Zeit lernte ich, dass ich belastende Gedanken aktiv loslassen konnte. Ich lernte auch, Gefühle, Gedanken und Empfindungen erst einmal zu beobachten, ohne gleich dem erstbesten Handlungsimpuls folgen zu müssen. So beruhigten sich meine Gedanken und Gefühle nach und nach und ich war wieder in der Lage, mehr in der Gegenwart zu leben.

 

Charlies Geschichte

Während dieser Zeit lebte bereits Charlie bei mir, ein damals knapp zweijähriger Galgo-Mix, der immer schon eher nervös gewesen war. In der Zeit nach Nanas Tod aber entwickelte er Verhaltensweisen, die mich vor immer neue Herausforderungen stellten. Er war plötzlich nur noch bedingt stubenrein, fraß Vorhänge und Teppiche an, entwickelte eine sehr deutliche Abneigung gegenüber anderen Hunden, wenn er angeleint war und zerbiss Türen und Fenster, wenn ich ihn alleine zuhause ließ. 

Ich tat, was wohl die meisten Hundehalterinnen getan hätten: ich las noch mehr Hundebücher, ging wieder zur Hundeschule, fragte Freundinnen und probierte aus und aus und wieder aus. Diese Suche im Außen gipfelte schließlich in einer Ausbildung zur Hundetrainerin. Denn irgendwo im Berg des Hundewissens musste doch der Schlüssel zum Wohlergehen dieses speziellen Hundes verborgen liegen. So dachte ich jedenfalls. Die Situation von der Warte der Achtsamkeit her zu betrachten, kam mir damals merkwürdigerweise nicht in den Sinn.

Schlüsselerlebnis

Dass ich den Schlüssel zur Lösung unserer Probleme schon lange in den Händen hielt, wurde mir erst klar, als ich nach Beendigung der Ausbildung einer erfahrenen Kollegin davon erzählte, was ich mit Charlie alles trainieren würde und dass ich mit ihm aber irgendwie nicht weiterkäme. Sie hat mich etwas ratlos angesehen und sinngemäß so etwas gesagt wie „Na ja, das ist ja auch kein Wunder bei dem Stress, unter den Du ihn setzt“.

 

Es brauchte noch ein paar Wochen und den Input weiterer Kolleg:innen zu dem Thema, aber irgendwann fiel der Groschen bei mir dann doch. Wenn Achtsamkeit mir hilft, pfleglicher mit mir selbst umzugehen, dann sollte es wohl auch möglich sein, den Umgang mit meinem Hund nach diesen Werten auszurichten.

Achtsames Leben mit Hund

 Was so offensichtlich erscheint, wenn ich es hier schreibe, war für mich ein großer Wendepunkt. Ich begriff, dass ein positiver Umgang mit meinem Hund mehr war als positive Verstärkung. Ich begann, Situationen vermehrt von seiner Warte her zu betrachten. Welches seiner Bedürfnisse erfüllte sein aus meiner Sicht problematische Verhalten? Welche Bedürfnisse hatte er tatsächlich? War es ihm überhaupt wichtig, Signale zu kennen, Dummies zu apportieren, Nasenarbeit zu machen und andere Hunde zu treffen? Was waren seine Hobbies? Was machte ihm Spaß?  Ich fragte mich auch, welche meiner eigenen Verhaltensweisen Charlie möglicherweise Stress verursachten. Ich schaltete während unserer Spaziergänge mein Handy in den Flugmodus, um mit meiner Aufmerksamkeit tatsächlich bei ihm zu sein. Unterwegs baute ich für mich und ihn Entspannungspausen ein, in denen er etwas suchen oder knabbern und ich eine Achtsamkeitsübung machen konnte. Und auch nach schwierigen Situationen wie z.B. Hundebegegnungen legte ich bewusst ein Pause ein, in der ich für Charlie eine beruhigende Körperübung anleitete und selbst ein paar ganz bewusste und tiefe Atemzüge nahm. Außerdem bemühte ich mich mehr darum, uns einen Tagesrhythmus zu schaffen, der uns beiden gut tat. „Ruhe – Rhythmus – Rituale“ wurde eines meiner Mantren im Umgang mit meinem Hund.

 

Bis heute fordert mich Charlies Verhalten auf, mein Leben und meine Prioritäten fortlaufend zu hinterfragen. Was ist mir wirklich wichtig? Was will ich in meinem Leben haben? Welche Bedürfnisse sind mir wirklich wichtig: Charlies und meine eigenen oder die unserer Umwelt?

Ein Leben mit Hund hat kein Ziel

Unser Weg geht weiter und unser gemeinsamer Lernprozess ist noch lange nicht abgeschlossen.

achtsamkeit.dog jedoch ist das vorläufige Ergebnis dieses langjährigen Lernprozesses. Zugrunde liegt dem ein neues Verständnis vom Leben mit Hund, demgemäß wir MIT unseren Hunden SEIN sollten, wollen wir tatsächlich glücklich mit ihnen leben. Sie wirklich wahrzunehmen, sie zu sehen, ihnen zuhören, mit ihnen zu fühlen, sie zu spüren und zu riechen, das sollte uns wichtig sein. Sie sind Hunde, die es wertfrei zu betrachten gilt, anstatt sie beständig durch die menschliche Brille zu sehen und nach menschlichen Kriterien zu beurteilen.

 

Wenn wir unsere Hunde in der Gegenwart treffen, anstatt an ihrer möglicherweise problematischen Vergangenheit festhalten oder auf eine großartige Zukunft hoffen, lösen wir uns von den Schablonen im Kopf. Wir öffnen die Augen für bislang nicht wahrgenommene Details und Möglichkeiten und beschreiten neue Wege. Achtsamkeit ist dabei gleichermaßen der Weg und die Wegweiserin.

 

Ich freue mich sehr über Kommentare. Erzähl mir Deine Geschichten, Deine Erfahrungen und davon, was für Dich ein achtsames Leben mit Deinem Hund ist.

Herzlichst

Deine Biggi




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