Der Anfang

Heute Morgen sind drei Dinge geschehen.
1. Ich habe mich zweimal im Gesicht verletzt, zuerst beim Rennen gegen das tief hängende Geäst einer Birke. Beim zweiten Mal bin ich etwa eine halbe Stunde später mit dem Kinn voran auf schlüpfrigem Eis gelandet, welches aufgrund der fehlenden Schneeschicht den Aufprall unnachgiebig entgegennahm. Nun besitze ich ein blau schattiertes Auge mit roten Rissen und eine Flechte am Kinn.
Der Grund dafür war dieses Mal nicht mein mangelnder Gleichgewichtssinn, sondern ein stinkendes, schwarzes Riesen-Baby, das meine Grenzen aktuell bis zur Unkenntlichkeit austestet.
Karhu, der Bär, ist ein pubertierender, übergroßer Huskyrüde mit mächtigen Eiern. Nur leider weiß er damit nicht allzu viel anzufangen, wurde er doch zu sehr von mir verwöhnt und wuchs über behütet auf.
Die Kehrseite meines Welpen-Verwöhnprogrammes kriege ich nun Veilchen-dick serviert. Er ist unsicher, gefangen in dem Körper eines Machos und tut dementsprechend das im Rudel, was ihm als Einziges übrig bleibt: zeigen wer der Boss ist.
Nur leider vergisst der Rüpel, dass das am Ende des Tages immer noch mein Job ist.
Bereits vor dem ersten “Kaffee” (siehe Punkt 2) provozierte dieser Hund zwei Beißereien. Jedes Mal war ich am anderen Ende des Kennels und sammelte Scheiße zusammen. Als dann dieses Geräusch ertönte, das ich schon einige Male gehört habe, dieses grummelige Knacken, dass sich innerhalb von Sekunden in eine wahre Symphonie von tiefen Grolllauten und Beissgeräuschen ergiesst, wusste ich, dass ich Rennen muss.
Und das tat ich. Beim ersten Mal so schnell, dass mir die Birke ihre langgliedrigen Finger ins Gesicht schlug. Beim zweiten Mal erwischte ich Karhu, noch im Laufschritt, im Nacken und drückte ihn zu Boden, damit er seinen Kampf nicht fortführen konnte.
Meine alten, in die Jahre gekommenen Winterstiefel offenbarten genau jetzt, im Moment meiner Maßregelung, ihre große Schwachstelle: ein abgenutztes Profil. Ich suchte verzweifelt Halt auf dem Eis, geriet ins Rutschen, da meine Füsse keinen Widerstand fanden und gelangte an die abschüssige Grenze des kleinen Hügels im Hundeauslauf. Da mein Kopf jedoch noch sturer ist als Der des schwarzen Riesens, hielt ich Karhus Nacken weiterhin umklammert, während mein Gesicht die Bremsfunktion übernahm, die sonst meine Arme inne gehabt hätten.
Wenige Sekunden und heftiges Ausschnaufen später lachte ich, mit den Lippen noch am Eis hängend und mein halbes Körpergewicht auf Karhu. Er machte keinen Mucks mehr, schaute mich nur verwirrt an. Soviel zu einer “verlässlichen Konstanz” als Anleitung im konsequenten und authentischen Hundetraining. Ich weiß nicht, was ich mehr liebe: meine Hunde oder ihre Fähigkeit, sich trotz aller Verrücktheit meistens, nagut: manchmal, an mir zu orientieren.
2. Nach beendetem Scheisse Kratzen und erfolgreicher Wolfsdressur, habe ich anstatt starken, vollblütigen Kaffee, die umweltschonende Dinkel Version ausprobiert. Natürlich ohne Koffein oder überhaupt irgendetwas, das an Kaffee erinnert.
Mit viel heißem Wasser habe ich zuerst das Pulver, dann meine Hand übergossen. Und anschließend zwischen den Hunden sitzend und der Morgenröte das Gesicht zur Heilung entgegenstreckend, festgestellt: die Welt retten zu wollen schmeckt manchmal einfach nicht nach dem, was man sich so sehnlich wünscht. Und für mich war dieser Wunsch heute morgen lediglich ein heißer Kaffee.
3. Ob es der Sturz aufs Eis war oder die mich erhellende Epiphanie beim Schlürfen des “nachhaltigen” Kaffee Ersatzes.
Was auch immer mich inspirierte: der kurzweilige Funken reichte aus, um diese Seite hier ins Leben rufen. Meine Gedanken kreisen schon ewig darum, was sich denn wie verändern lässt. Und ist überhaupt irgendein Kampf sinnvoll? Bisher hatte ich kein erfüllendes Gefühl, dass mir ein weißes Licht vor die Nase hält und mir schicksalsvoll verkündet “Du bist auf dem richtigen Weg, Josi”.
Was ich aber schon immer und bis heute liebe, ist das Schreiben.
Also höre ich jetzt auf den Rat einer guten Freundin und versuche nicht immer einen Sinn in Allem suchen zu wollen. Einfach mal Nichts bewegen, nicht hinterfragen, sondern zu machen, was mir Freude bereitet.
Jetzt sitze ich hier in meiner kleinen Kammer unter dem Dachgiebel unseres Hauses und tippe, mit Blick auf den gefrorenen See und die malvenfarbenen Himmelsschattierungen Lapplands, die ich gegen Nichts in der Welt eintauschen möchte.
“Ja aber, so lange Texte?” Etwas abschreckend und so gar nicht kompatibel mit den Kriterien der sozialen Medien.
Aber so bin ich eben.
Wäre es anders, würde ich auch nicht in Lappland leben.
Ich tippe in der Hoffnung, ihr werdet zu mutigen Leser-innen.
– Josi




Hunde Plattform miDoggy





1 Comment
  1. Claudia 3 Jahren ago

    Wunderbar unterhaltsam geschrieben! Durch Zufall bin ich auf Midoggy gekommen und dieser Beitrag ist der erste den ich hier lese! Danke für diese fröhliche Schilderung eines nicht ganz so prickelnden Tages! Hoffentlich hast du dich inzwischen erholen können.
    LG Claudia

 

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