Zwischen aufrechtem Gang und Misstrauen

Endlich habe ich mich genug gewundert und geärgert und geschimpft, um es runterzuschreiben –

Es fühlt sich jetzt schon gut an, Euch pseudo-“Rudelführern” die Meinung zu geigen. Eine Meinung, die ich wie viele andere Gedanken ständig für mich behalte, weil ich diplomatisch und einfach nicht unhöflich sein will. Aber was ich für mich behalte bleibt ungesehen, ungehört, ungelesen und unkommentiert. Also reift das Bild, das ich mir mache und wird schlimmer und schlimmer, je mehr ich von Euch auf der Straße, im Wald, in der Bahn, im Restaurant – Herrgott Ihr seid wirklich überall – sehe. Aber von vorne, leichte Kost gespickt mit viel Unverständnis, jeder Menge Vorwürfen und purem Stolz, dass keiner der Missstände auf uns zutrifft:

Die schönen Anfänge – wer sich schlau macht, liebt diese Zeit. Der kleine zieht ein. Klar ist die Aufregung groß und es dreht sich alles um das schwarze Baby. Jeder Schritt wird beobachtet, jeder Fehltritt (mit der nötigen theoretischen Vorbildung) reguliert, jedes positive Verhalten (erkannt! und) belohnt. Vier Wochen Urlaub, Verzicht und Ausnahmezustand zu Hause und warum das alles? Weil es das Wert ist! Heute – fast zwei Jahre später aber nicht erst seit Kurzem –  sitzen tiefenentspannte, liebenswerte und vertrauensvolle 32 Kilogramm schwarze Muskelnim Korb und warten geduldig, dass es in den Wald geht.
Schon 13.30 Uhr? Da läuft er kurz ins Schlafzimmer, sieht, dass wir noch liegen weil die Nacht mal zum Tag gemacht wurde, dreht sich um und geht zurück. Warum macht er sich nicht bemerkbar? Weil er weiß, dass es früher oder später schon losgeht. Stichwort Vertrauen.

Hund weiß also, dass er uns blind vertrauen kann. Mit abwechslungsreicher Routine hat er von Anfang an die Sicherheit bekommen, dass er sich nie um zu wenig Bewegung, Spiel, Futter, Ruhe etc. sorgen muss. Er bekommt alles, was Hund zum glücklich sein braucht – mit der Einschränkung, dass wir das Timing vorgeben. Punkt aus. Keine Frage – er ist auch schon unter dem Tisch vorgeschnellt, weil er unbedingt im Restaurant mit dem Nachbarshund spielen wollte. Dann schaut er eben verdutzt, wenn es heißt “Dickerchen, Nein. Hinlegen – gut so” (Den Blick kennen die guten). Hier wird nicht lange gefackelt, aber deutlich Zunder gegeben. Das versteht er sofort und weil er weiß, dass es später nochmal auf die Rolle geht, ist das Thema damit auch durch. Irgendwann reicht dann ein “Dickerchen” – Er stellt Blickkontakt her und weiß bei meinem Kopfschütteln, was ich meine. Wir sind für ihn seit jeher so leicht zu lesen wie diese Zeilen hier.

– Worauf will der neue hier hinaus?

Wer sich so auf seine Menschen verlassen kann und seine unmissverständlichen Botschaften ohne Ausnahme versteht, entwickelt doch gar nicht das Bedürfnis, selbst die Führung zu übernehmen und auf Abwege zu geraten. Er lehnt sich zurück und genießt die süßen Früchte des Hundelebens im Frühling. Wenn ich richtig informiert bin, ist einer von tausend Hunden zum Rudelführer geboren. Für den Rest ist das der pure Stress. Angabe ohne Gewähr.

Was macht Ihr egoistisch motivierten Hundebesitzer also mit Euren vorschnellen Entscheidungen, Euch einen Hund anzuschaffen? Mit Eurer mangelnden Vorkenntnis, Eurer Ahnungslosigkeit, Eurem “oh ein Hund würde uns so gut tun”, Eurem “ich nenne ihn blabla und ziehe ihm süße Pullis an”, dem “das sind so süße Fotos” und dem “er mag irgendwie keine Männer / Rüden / Kinder / Autos / Schubkarren / insert word here – ich weiß auch nicht warum” (natürlich weißt Du es nicht – unfreundliche Nachbarin mit dem kleinen angeblich “aggressiven” Hund, der einfach nur mehr Bewegung braucht und deshalb seine Energie durch Bellen loswerden will – keine Spur von Aggression in dem kleinen, armen Teufel). Ihr sorgt nicht nur dafür, dass Ihr Euch insgeheim unwohl und überfordert fühlt – Ihr verhindert, dass sich ein Vierbeiner in Eurer Gegenwart entspannt, dass er Euch vertraut und, dass er dadurch lernt, was richtig und was falsch ist. Ihr versteht ihn nicht, weil ihr Euch nicht vorbereitet habt.

Und genau deshalb zieht ihr an der Leine, schaut ständig nach unten und verlernt nach 6-7 Millionen Jahren den aufrechten Gang – weil ihr Eurem Hund nicht vertrauen könnt – wie auch? Kopf gesenkt, folgsame Körperhaltung, unsichere, devote Ausstrahlung: Die spazieren geführte Hilflosigkeit am oberen Ende der Leine – die führende Anspannung am unteren.

Ihr beschämt informierte und gewissenhafte Hundebesitzer, sorgt für Unverständnis und für Diskussionen über Anleinzwang, höhere Hundesteuer, Maulkörbe, Ruhestörung, überfüllte Tierheime, unglückliche und kranke Hunde, für Unverständnis und Abneigung Euch allen gegenüber.

Das Gute (wenn es daran denn etwas Gutes gibt) ist: Die, die den aufrechten Gang verlernt haben erkennen wir immer und überall. Ihr könnt Euch nicht verstecken.
Wir sehen, dass Ihr überfordert seid und nicht wisst, was Ihr Euch und Eurem Tier antut.
Wir treffen uns auf der Straße, Eure Augen flackern, Ihr strahlt Unsicherheit aus, könnt nicht mal Blickkontakt halten, weil das Tier beobachtet werden muss.
Wir treffen uns in der Bahn, Ihr plappert belanglos vor Nervosität, spuhlt einen Text zur Hundereziehung runter und folgt Eurem Hund, wenn er weitergehen will.
Wir treffen uns im Restaurant, ihr sagt Eurem Hund, dass er nicht zu uns kommen soll und lacht unsicher, wenn er es doch tut.
Wir treffen uns im Wald, ihr ruft Euren Hund und ruft ihn weiter, wenn er nicht kommt. Ihr könnt Spiel von Streit nicht unterscheiden und mischt Euch unnötig ein.

Und am Ende eines Tages freut Ihr Euch, dass erst auf Kommando das Futter genommen wird – wenn es nicht so traurig wäre, wäre es einfach nur lustig.

gutgebellt




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