Ach, der tut nichts: Wenn sich zwei nicht riechen können

Verhalten Hunde untereinander

Mit ganz viel Zeit und Ruhe im Gepäck waren der Pudel und ich heute unterwegs. Und wie es sich für einen anständigen Berliner Sommer gehört, hat sich der kleine Charmeur wieder einmal verliebt und mehrere Stunden mit der Dame des Herzens getobt, geschmust und geflirtet. Glücklich ausgepowert schläft er nun auf seiner Decke und wird bestimmt ein wenig von ihr träumen 😉

So innige Begegnungen unter den Pelzträgern gehören aber nicht zur Tagesordnung und auch das sonnige Pudelgemüt fängt sich schonmal einen Knurrer oder Anschnauzer ein. Liegt es manchmal an seiner noch jugendlichen Aufdringlichkeit, die anderen Hundekollegen auf den Keks geht; kommt er an anderen Tagen schlichtweg zu stürmisch daher. Bisher überwiegen seine positiven Erfahrungen und in ernsthafte Raufereien war der Pudel zum Glück noch nicht verwickelt. 

Als sehr sozialer Hund sucht Niko also nicht nur regelrecht den Kontakt zu anderen Vierbeinern, sondern braucht diesen auch, um sich gut ausgelastet zu fühlen. Das ist auf den Straßen Berlins, den Hundewiesen, Parks oder Wäldern grundsätzlich nicht das Problem. Doch aus einem vermeintlich freundlichen Begrüßen und erster Neugier kann sich auch schnell ein Streit mit ernsthaften Konsequenzen entwickeln. Oft lasse ich mich von meinem Bauchgefühl leiten, ob ich von vornherein einen Kontakt zulasse oder eben nicht. Auf jeden Fall sollte man sich aber im Klaren sein, dass Hunde mit normalen Sozialverhalten zum Beispiel nur unterwerfen, wenn es hierfür einen triftigen Grund gibt. Sie lösen die Situation dann auch von allein wieder auf. Trotzdem können und sollten wir Menschen auf das Verhalten unserer Lieblinge deutlich einwirken. Zwar lässt sich aus einem Griesgram kein Everybodys Darling zaubern, aber zumindest ein akzeptables Begegnen ermöglichen.

Die Chemie passt nicht immer

Treffen sich Hunde, hat dies erstmal nichts mit sogenannten Rang- oder Rudelkämpfen untereinander zu tun. Meistens laufen diese Begegnungen ziemlich harmlos ab. Kleinere Schrammen oder ein zerzauster Pelz  sind zwar Anzeichen, dass die Chemie zwischen den Fellnasen nicht die optimalste ist. Aber in der Regel müssen sich die menschlichen Begleiter hier nicht einmischen. Wie bei uns Menschen auch, finden auch Hunde nicht jeden ihrer Artgenossen total dufte.  Sie sind quasi nur ehrlicher und zeigen deutlich, wenn sie sich nicht riechen können. Hunde spielen auch nicht immer miteinander, wenn sie darauf einfach keine Lust haben. Denn das permanente Zusammentreffen mit fremden Hunden bedeutet für sie auch Stress, den man am besten mit ausreichenden Ausweich- und Rückzugsmöglichkeiten entgegenwirkt. Das ist mir zum Beispiel auch auf Hundewiesen aufgefallen. Nicht immer passt die Mischung auf dem Platz. Wer regelmäßig ein bestimmte Auslaufgelände besucht, sollte darauf achten, zu welchen Tageszeiten passende Spielgefährten vor Ort sind, mit denen der eigene Hund spielen kann. Von ganz allein bildet sich dann ein harmonisches Rudel, in dem jeder seinen Platz hat.

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Niko und sein Waldhunde-Rudel

Immer schön höflich bleiben

Auch unter unseren Fellnasen herrscht Etikette. So laufen sie zum Beispiel aus Höflichkeit gerne einen Bogen, wenn ihnen ein anderer Hund entgegen kommt. Eine Tatsache, die mir selbst nicht sofort klar war. Denn für mich ist es ja erst einmal normal, auf dem Weg zu bleiben und geradeaus weiterzulaufen. Hier lässt sich aber ganz leicht reagieren: Kommt uns ein Hund auf der linken Seite entgegen, lasse ich Niko für diesen Moment auf der rechten Seite laufen. Falls er aber, was in den seltensten Fällen vorkommt, mehr Distanz haben möchte, weichen wir einfach ein paar Meter weiter aus, zum Beispiel auf eine angrenzende Wiese oder in eine Seitenstrasse. Ein bisschen anders verhält sich das im Freilauf: Hunde sollten hier immer in Bewegung bleiben, wenn die Situation brenzlig wird. Ein Stehenbleiben und Verharren steigert nämlich eher das Konfliktpotential und damit die Gefahr einer Rauferei. Insbesondere dann, wenn wir uns direkt neben unseren Schützling stellen. Dieser fühlt sich dadurch eher bestätigt und verstärkt. Ich achte auch immer darauf, ob Niko sein Gegenüber fixiert, was ziemlich häufig der Fall ist. Dann ist Ablenkung gefragt, um diesen Blickkontakt quasi zu entschärfen. Im Moment klappt bei uns “Sitz” und “Schau mich an” ganz gut. Wer mit Hundehalsband oder Halti unterwegs ist, dem sollte zusätzlich bewusst sein, dass beides die Körperhaltung des Hundes an der Leine stark beeinflussen. Wird beispielsweise an der Leine gezerrt, wirkt der Hund aufgrund seiner Haltung automatisch größer und wird als Bedrohung empfunden. Das Repertoire an Mimik und Gestik ist riesig und damit auch das Risiko, dass Begegnungen an der Leine nicht immer reibungslos ablaufen.

Früh übt sich

Besonders Welpen und Junghunde sind wahre Energiebündel und jederzeit zu einem Spielchen aufgelegt. Konfliktpotential ist damit vorprogrammiert. Zwar ist der Lehrplan für die Jungspunde in den ersten Monaten ziemlich lang. Doch nicht nur Stubenreinheit und Grundkommandos sind elementar für die Entwicklung der jungen Wilden. Schon sehr früh sollten Welpen Spielgruppen besuchen, um möglichst mit vielen freundlich gestimmten Hunden in Kontakt zu kommen – unabhängig von Rasse, Größe, Alter oder Persönlichkeit. Nur so können sie die arteigenen Verhaltensweisen aufnehmen und lernen, sich in das Rudel einzufügen: Drohenden Keilereien effektiv aus dem Weg zu gehen, dominantere Hunde zu besänftigen oder sich zu unterwerfen, können Hunde nur voneinander lernen und gehören deshalb auf jeden Stundenplan. Einige sind da recht schnell ihrer Auffassung, andere (wie der Pudel) brauchen etwas länger.  Mit seiner übermütigen Art fängt sich Niko immer noch regelmäßig einen Anschnauzer ein, insbesondere von älteren Hunden. Er ist zwar schon deutlich ruhiger geworden, kann es aber immer noch nicht ganz lassen. Mittlerweile sehe ich das auch schon mit Gelassenheit und lasse die Vorfälle unkommentiert. Denn das gehört zum Erwachsenwerden dazu.

Die Sache mit der Leine

Ich bin kein Fan davon, Tiere einzusperren oder ihren Lebensraum einzuschränken. Allerdings macht es mir – unabhängig der hiesigen Vorschriften und Regeln – der Berliner Stadtverkehr und Nikos Leichtsinn sehr schwer, ihn auf den Straßen abzuleinen. Auf unseren Gassirunden treffen wir aber sehr häufig auf freilaufende Hunde, die in den meisten Fällen unkontrolliert mit Niko Kontakt aufnehmen. Eine sehr ungünstige Kombi – denn an der Leine können die Vierbeiner nicht frei agieren und sind in ihrer natürlichen Bewegung eingeschränkt. Das wiederum kann den anderen irritieren und als Kettenreaktion eine Aggression auslösen. An der Leine können auch die friedlichsten Artgenossen plötzlich ungemütlich werden und Streit lässt nicht lange auf sich warten. Auch schwache oder unterlegene Hunde hindert die Leine bei Flucht oder Unterwerfung. Bei Begegnungen herrscht daher eigentlich gleiches Recht für alle: Ist der andere Hund angeleint, ist auch der eigene Hund selbstverständlich an die Leine zu nehmen und vorab zu klären, ob es sinnvoll ist, beide zusammen zulassen. Scheint das nicht angebracht zu sein, geht es zügig an dem anderen Gespann vorbei, ohne miteinander Kontakt aufzunehmen. Meistens lasse ich Niko aber sitzen und die anderen vorüberziehen, um ein unnötiges Gezerre an der Leine zu vermeiden. Sind allerdings die räumlichen Möglichkeiten aber gegeben und beide Hunde freundlich einander gesonnen, steht dem Spiel ohne Leine natürlich nichts im Wege. 

Spaß, den nicht jeder versteht

In seiner Funktion als Schleichkatze beherrscht Niko den sogenannten Spielangriff nahezu perfekt. Hat der Pudel einen anderen Artgenossen (oder auch Tauben) entdeckt, pirscht er sich erst ein paar Meter an, verharrt kurz, um dann wie aus dem Nichts auf das Objekt der Begierde zuzustürmen und übermütig zu “überfallen”. Dass das nicht immer auf Gegenliebe stößt, ist klar. Hohe Geschwindigkeiten und ein direktes Zulaufen werden von Hunden oft als Drohung aufgefasst und mit entsprechender Gegenwehr beantwortet, auch wenn dieser Angriff nur spielerisch gemeint war. Um diesem durchaus üblichen Missverständnis vorzubeugen, sollte man seinen Wildfang zurückhalten und eine langsame Annäherung fördern. Mit Niko habe ich relativ früh angefangen, zu trainieren, anderen Hunde gelassen zu begegnen und sie auch mal zu übersehen. Das klappt mal mehr, mal weniger gut; aber Fortschritte sind durchaus spürbar. Ich führe dann Niko möglichst schnell an anderen Hunden vorbei, wobei er natürlich keinen Kontakt aufnehmen darf. Das stößt aber nicht immer auf Verständnis bei anderen Hundehaltern und ich muss mir schon mal Kommentare über die Wichtigkeit von Sozialkontakte gefallen lassen. Davon solltet Ihr Euch nicht beirren lassen. Mittlerweile macht Niko auch schon oft von ganz allein Sitz, wenn er Artgenossen sieht. Verhält er sich ruhig, wird er ausgiebig gelobt. Im Wald oder auf dem Feld übe ich auch das Verharren (aber ohne Leine). Immer wenn er vorläuft und die Situation unübersichtlich wird, vor einer Wegbiegung oder wenn sich  andere Spaziergänger mit Hunden nähern, signalisiere ich Niko ein Stop und rufe ihn zu mir. Ist der andere Hund am Herankommen, dürfen sie entweder Kontakt aufnehmen oder ich versuche, Nikos Aufmerksamkeit durch Spielzeug, Leckerlis oder Tricks zu halten. Nicht immer ganz leicht, aber Übung macht ja bekanntlich den Meister.

Zu guter Letzt: 

Mein Herz geht auf, wenn ich Niko im Spiel mit anderen Fellnasen beobachte. Nicht nur in diesem Moment, sondern auch danach total erschlagen auf der Couch, macht er einen sehr glücklichen Eindruck. Im noch so schönsten Spiel darf das wachsame Auge der menschlichen Begleiter nicht fehlen. Das ist ja auch schließlich die Aufgabe von uns Rudelführern. Nur allzu gerne nutzen die Rabauken mögliche Freiräume, um ihre Grenzen zu testen. Klare Regeln und das Eingreifen zur richtigen Zeit sorgen nicht nur für die notwendige Ordnung im Rudel, sondern vermeiden genauso allzu negative Erfahrungen mit (unsozialen) Hunden. Jedoch ist ein Hund, der Aggressionen zeigt, obwohl sich das Gegenüber bereits unterworfen hat, nicht automatisch verhaltensgestört. Jeder ist deswegen selbst dafür verantwortlich, seinen Hund zu einem friedlichen Zeitgenossen zu erziehen und schwerwiegende Auseinandersetzungen zu verhindern. 

Und falls es doch ernst wird:

Droht in der Hitze des Gefechts die Situation zu eskalieren, beißen also beide Gegner abwechselnd oder gleichzeitig fest zu und versuchen, den Kontrahenten auch durch Beißschütteln möglichst stark zu verletzen, muss sofort eingegriffen werden. Bei solchem Ernstkampf fehlen alle drohenden und imponierenden Gebärden. Selbst Beschwichtigungssignale beenden die Rauferei nicht. In einer ersten Stufe sollte versucht werden, den eigenen Hund durch Rufen aus der Situation und weg vom Rivalen zu führen. Ist es dafür schon zu spät, darf auf keinen Fall, der Hund am Halsband gepackt werden. Die Gefahr einer endgültigen Eskalation und eigenen Verletzungen ist viel zu groß. Schon eine einfache Berührung am Hals kann den Hund in dieser Situation noch aggressiver machen. Durch das Festhalten ist seine Bewegungsfreiheit nämlich stark eingeschränkt, was wiederum die Aggression steigert, denn er ist dem Gegner in diesem Moment wehrlos ausgeliefert. 

Auch wenn es mehr als schwer fällt: Unbedingt Ruhe bewahren und gemeinsam(!) mit dem anderen Halter die Trennungsaktion vorbereiten und durchführen. Beide müssen zur gleichen Zeit, ihren Hund an den Hinterläufen (über den Pfoten) packen, dann auf Kommando hochheben und nach vorn schieben (Schubkarrenhaltung). Durch diesen Überraschungseffekt öffnen sie kurz die Kiefer.  Wenn das soweit ist, müssen beide Hunde schnell voneinander weggezogen werden. Not macht aber auch erfinderisch: Ist der Hund eher groß oder schwer, kann ebenso der Schwanz mit angepackt werden. Auch ein Eimer Wasser oder eine Decke lassen sich als Ablenkungsmanöver nutzen, um die Situation zu entschärfen. Wichtig ist nur, dass die Hunde in Sichtweite voneinander zur Ruhe kommen, um den Vorfall gut zu verarbeiten. 

Wir Ihr seht, ist die richtige Einschätzung der Situation sehr komplex und erfordert viel Erfahrung, insbesondere, wenn es um das notwendige Eingreifen geht. Holt Euch am Besten den Rat eines Trainers, der Euch mit Tipps und Tricks für den (hoffentlich ausbleibenden) Fall der Fälle vorbereitet!




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